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Helldorado – 17.11.2018 Klokgebouw/ Eindhoven

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(KiS & cj ) Das Versprechen einer unglaublichen „Rock & Roll Freakshow“ haben die Veranstalter des Festivals in Eindhoven mehr als gehalten und dabei nicht zu viel versprochen: Das Helldorado ist ein Rock-Spektakel der Superlative, inklusive Reizüberflutung in jeder Hinsicht. Zu hören gab es feinsten Heavy Rock unter anderem von Monolord, Kadavar, Death Alley, Greenleaf, Lucifer und vielen mehr. Daneben warteten auf die Besucher im Klokgebouw abgefahrene Zirkus- und Wrestling Side-Shows sowie Comedy-Acts.

Es ist die zweite Auflage des 2017 erstmals von Peter van Elderen (Ex-Speedfest) veranstalteten Festivals. Das Klokgebouw stellt dafür vier Venues bereit: In der Cockroach Comedy Chapel – was für ein Name! – treten wie sich schon vermuten lässt, Comedy Acts auf. Außerdem gibt es drei Bühnen, auf denen Bands spielen oder Side-Shows stattfinden: Die Cobra Stage ist die Main Stage für Konzerte, die Lion Stage und die deutlich kleinere Tarantula Stage teilen sich Bands und Show Acts. Alle stellen mit Liebe zum Detail die Themenwelt Rock & Roll Freakshow dar und erinnern an einen Zirkus, in dem alles nur  wilder zugeht und sich in einer gewissen Weise um Rock dreht. Hier können Clowns versenkt, Orakel befragt und nebenbei hochkarätigen Bands gelauscht werden. Die Organisation ist gelungen: Geparkt werden kann für 7 Euro pro Tag direkt nebenan im Parkhaus. Taschen (LPs passen nicht rein!) können in Spinden verstaut werden und an Food-Trucks mangelt es auch nicht. Die Sache mit den Tokens ist Geschmacksache, aber immerhin muss für den Kauf nie lange angestanden werden. Übrig gebliebene Token können bis eine Stunde vor Veranstaltungsende eingetauscht werden.

Um 13:30 geht es auf der Cobra Stage mit der ersten Band los: Prima Donna aus Los Angeles spielen die ersten Besucher mit ihrem Glam Garage Punk-Pop warm. Leider gab es bei der Organisation einen einzigen Minuspunkt. Der Einlass hatte sich verzögert, so dass sich die Halle nur sehr langsam füllt. Prima Donna gehen damit aber sehr professionell um und spielen eine starke Show, so dass man von der Leere hinter einem nicht viel mitbekommt, solange man sich nicht umdreht.

Gespannt gehen wir danach zur ersten Side-Show des Tages, dem Cirque Du Mort auf der Lion Stage. Hier erwartet die Zuschauer eine abgedrehte Zirkus Burlesque-Show aus Glasgow. Viel nackte Haut zu Rock Classics von AC/DC und Guns ’n‘ Roses. Mal gibt es Clowns und  Pandas, mal  andere verrückte, schwer definierbare Kreaturen lasziv räkelnd auf der Bühne zu sehen. Die Show gibt’s gleich dreimal im Programm, weil sie sich mit Konzerten zeitlich überschneidet.1043

Musikalisch gesehen kommt dann um 14:30 schon der erste Höhepunkt. Monolord betreten die Cobra Stage und setzen mit ihrer Doom-Wucht einen  starken Akzent. Die Schweden beeindrucken mit ihrem prägnanten Sound aus tief wummernden Basslines und eingängigen schweren Riffs, über die sich live, wie auch auf den Platten, erhaben schallartig Thomas Gesang legt. Kopfnicken funktioniert schon mal bei allen Anwesenden einwandfrei. Obendrauf gibt es beim Orgel-Intro von „Rust“ das erste Mal Gänsehaut. Mehr Monolord-Bilder

Das sind gute Voraussetzungen für Death Alley. Die Jungs aus Amsterdam steigen wie gewohnt mit Vollgas ein. Sänger Douwe tänzelt mal wild zu rasend schnellen Riffs und schwingt Schellen, mal singt er fast hymnisch psychedelische Stücke. Die Niederländer reißen mit ihrer Energie und Dynamik der Songs die Menge mit. Der Heimvorteil ist dazu gar nicht notwendig. Umso wehmütiger ist man nach dieser grandiosen Show mit dem Wissen, dass das vielleicht tatsächlich das letzte Konzert ist, das man miterlebt hat, denn die Auflösung Anfang nächsten Jahres  steht bereits fest. Noch ein Grund zu einem ihrer letzten Konzerte zusammen mit Birth of Joy, die ebenfalls ihre Auflösung gekannt gegeben haben, zu gehen. Tourdaten gibt es hier: https://www.deathalley.nl/

 

Für melancholisches Trübsal blasen bleibt allerdings keine Zeit, denn  Vintage Caravan haben parallel dazu schon ihr Set begonnen. Also sprinten wir zum ersten Mal zur Tarantula Stage. Dort erwartet uns schon eine aufgeheizte Menge. Das isländische Trio gibt mit seiner energetischen Bühnenperformance bluesigen rifflastigen Hardrock zum Besten, der auch Raum für ausgiebige psychedelische Jams lässt.

(KiS) Die Jungs haben den Slot mit Nick Oliveri and his Death Electric getauscht, der dann um 20:50 mit ordentlich Tarantula sowohl alten Desert-Fans als auch den Punkrock-Liebhabern seine beste Seite zeigt. Der Herr fühlt sich auf diesem Festival ausgesprochen wohl, hat sich vorher wie immer unter die Gäste gemischt und sich sogar als Opfer für The Death Do Us Danger Show als Messer-Ziel beworben. Später sehen wir Herrn Oliveri noch am Bass bei den Dwarves. Blag Dahlia hat hierfür ein paar schlumpfige, heiße Artisten mit auf die Bühne gebeten. Der Punk geht ab, wie sich’s gehört!3

Direkt im Anschluss geht’s zurück zur Richtung Cobra Stage. Dort betreten Lucifer die Bühne und zelebrieren Doom Okkult Rock. Die Band ist in Bestform. Johannas Stimme zieht alle in den Bann und Martin Nordin (Dead Lord) begeistert wie immer mit seinen Riffs. Lucifer schaffen es eine magische Atmosphäre zu kreieren.

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Mit einer intensiven Show geht es bei den Picturebooks aus Gütersloh weiter. Das Blues-Duo spielt sich sofort mit völliger Hingabe und brachialer Energie in die Herzen der  Zuschauer. Es ist immer wieder großartig ihre Hymne „Zero Fucks Given“ live zu hören. Zwischendrin bedankt sich Fynn immer wieder bei den Fans und für die Unterstützung seines Vaters am Mischpult und auf Tour. Im Frühjahr nächsten Jahres gibt es wieder neues Material und eine Tour.

Eine extra große Portion Stoner Rock liefern Greenleaf. Die Schweden hämmern sich mit ihren eingängigen Melodien in die Köpfe der Zuhörer und zeigen, dass sie von schweren Riffs über Fuzz-Orgien bis Proggen alles können.

ZEKE schippen mit ihrem Punk-’n’Roll (Speedmetal) tempomäßig mehrere Tonnen  drauf und drehen voll auf. Den Zuschauern gefällt der High-Speed Punk ’n‘ Roll: Es wird wild gepogt und gemeinsam kräftig abgerockt.14

Beim niederländischen Trio DeWolff gibt es zumindest zwischendrin die verdiente Verschnaufpause und besten Retro Rock mit Südstaaten-Feeling. Sie interpretieren psychedelischen Southern Rock in all seinen Nuancen. Während Robin auf seiner Hammond-Orgel hämmert und Pablo ein gewaltiges Gitarren-Solo nach dem anderen raushaut, legt Luka noch ein Schlagzeug-Solo hinterher.

Wie die Zeit verfliegt…22 Uhr: Endlich stehen Kadavar auf der Bühne und spielen ihren unverwechselbaren riffgeladenen Stoner Hard Rock der Superlative. Eine Stunde voller ekstatischer Hingabe und Rausch. Tonnenschwere Riffs, ausufernde Jams und unverkennbare Basslines sind perfekt aufeinander abgestimmt. Der Sound zermalmt alles, was ihm in den Weg kommt. Kadavar haben wieder einmal bewiesen, dass sie zu Recht den Ruf einer großartigen Live-Band haben.

So langsam schleichen sich die ersten Anzeichen von Müdigkeit ein, aber kein Grund nach Hause zu fahren. Hinter der nächsten Ecke erwartet uns eine Side-Show mit der nötigen Portion Nervenkitzel als passende Ablenkung: The Death Do Us Dangershow. Charlie bietet zusammen mit Ehefrau Rachel als menschliches Ziel eine beeindruckende Messershow. Rachel zeigt ganz nebenbei noch ihre Künste im Schwertschlucken.d

Zur nächsten Band pilgern wir allein schon wegen des kuriosen Namens: Banane METALIK. Was uns erwartet sind sechs Typen, die wie Slipknot im Bühnen-Outfit zu High School-Zeiten aussehen und einen wilden Mix aus Punk, Metal und Psychobilly spielen. Unterhaltsam sind die Franzosen und ein paar Becher fliegen auch zwischen Bühne und Publikum. Eine willkommene Abwechslung.

Das anschließende Konzert von Turbonegro gleicht einem einzigen Fantreffen. Gefühlt waren ihre Fans auch vorher schon allgegenwärtig. Leicht zu erkennen an der dunkelblauen Jeansjacke mit Turbo-Jugend Patch auf der Rückseite und manchmal auch noch an dem unverkennbaren weißen Matrosenmützchen (20€!). Zu unterscheiden, wenn überhaupt, an der Ortszugehörigkeit unter dem Patch: Von Mönchengladbach, Amsterdam bis Siegen ist alles bis zur kleinsten Lokalität vertreten. Es werden noch mal alle Kräfte mobilisiert, um zusammen ausgelassen vor der Bühne zu feiern. Turbonegro verbreiten schon seit Ende der 80er Jahre (mit einer Unterbrechung von 1998 bis 2002) ihren an 70er Hardrock und amerikanischen Punk Rock angelehnten Sound weit über die norwegischen Landesgrenzen hinaus. Nach der Reunion 2002 ist der Hype noch größer: Die Turbo-Jugend zählt weltweit mittlerweile schätzungsweise 3.500 Chapter, die zum Teil durch die ganze Welt zu Konzerten und Fantreffen reisen (das nennt sich im Turbo-Jugend Vokabular übrigens „Deathpunk Tourism“).7

Nach über zwölf Stunden bester Unterhaltung, ziehen wir ein durchweg positives Fazit. Das Helldorado ist mit seiner Rock & Roll Freakshow einzigartig und definitiv wert, sich mindestens einmal im Jahr nach Eindhoven zu begeben. Es gibt so viel zu entdecken, dass man ähnlich platt ist, wie nach einem ganzen Festival-Wochenende. (Caro & Kirsten)

Filed under: Hardrock, Live Reviews, Psychedelic, Punk, Rock, Stoner, , , , , , , , , , , ,

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