(hjs) In meinem Review zum Steel Held High Festival sprach ich von Perlen unter den Eintagesfestivals. Heute möchte ich über genau so eine Perle berichten. Die Rede ist vom Rock’n’Booze Festival, ausgerichtet von den Betreibern der Schraub-Bar in Bückeburg. Hier fand auch das Festival statt. Die Location ist bestens für die Ausrichtung geeignet. Es gibt ausreichend Platz, genügend Sitzgelegenheiten und auch für das leibliche Wohl wird umfänglich gesorgt. Da steckt eine Menge Herzblut drin, das spürt man an jeder Ecke. Zwei bange Momente gab es dieses Jahr zu überstehen. Erstens das Wetter: nachdem man letztes Jahr im Wortsinn baden gegangen ist hielt sich das Wetter, entgegen den vorherigen Ankündigungen, sehr gut. Trocken und nicht zu warm, einfach perfekt – also überstanden. Zweitens die verkauften Tickets. Auch hier sah es nach letzten Gesprächen nicht schlecht aus. Somit können wir uns hoffentlich auf einen Wiederholung im nächsten Jahr freuen.
Einlass war um 15:00 und um 15:30 starteten Teaser aus Minden ihr quasi Heimspiel. Immerhin wurde „Sharks & Clowns“ auf dem Schraub-Bar Gelände auf die Filmspule gebracht. Etwas irritiert, durch das doch eher anfangs spärliche Publikum auf dem Gelände, ließ sich das Quartett die Spielfreude nicht nehmen. Die Leute die schon vor Ort waren wurden mit Qualität versorgt. Guter alter Hardrock, gerne auch mal stilistisch mit heavy Riffs oder schönen Twin Guitar Leads („Lowman“) unterlegt. Eine gelungene Mischung aus Eigenproduktionen und gelungen Coverversionen a la „We’re An American“ Band. Als man am Ende feststellte dass man noch Zeit hat, gab es noch einen schönen musikalischen Cocktail aus Led Zeppelin Klassikern. Eingebettet in „Whole Lotta Love“ gab es noch „Kashmir“, „Rock’n Roll“ und den „Immigrant Song“.
Danach waren DUCS aus Hannover an der Reihe. Sie brachten scheinbar auch einige Fans mit. Bereits beim Stück „Oldschool“, durchaus mit Ohrwurm-Gefahr, gab es die ersten Mitsingenden und es bildete sich sogar so eine Art Mini-Pit. Als Power Trio mit gutem Stage Acting spielten sie eine mitreißende Show und gewannen bestimmt noch den einen oder anderen Fan dazu. Stilistisch im Post-Grunge oder Alternative Rock angesiedelt waren sie musikalisch eine tolle Bereicherung.
Danach gab es den ersten musikalischen „Stilbruch“. Das kann natürlich nur sarkastisch gemeint sein, denn so ein Festival lebt auch von seiner Vielfalt. Die Wisecräckers luden ein das Tanzbein zu schwingen. Nachdem jeder der sieben Musiker seinen Platz auf der Bühne gefunden hatte ließen sie sich auch nicht lange bitten. Vier Bläser, eine fulminante Rythmusabteilung und eine allzeit präsente Gitarre waren das Grundgerüst für spannend arrangierte Songs. Mal deutsch, mal englisch gesungen. Mal eigene Stücke, mal etwas ungewöhnlich arrangierte Coversongs („Final Countdown“) verfehlten ihre Wirkung nicht, das Tanzbein wurde geschwungen und in die Gesichter zauberte sich ein Lächeln.
Eine kleine Rückblende dann in Form von „Back in 1989“. Immerhin gibt es die Band schon seit mehr als 20 Jahren. Sogar die Sonne schien Freude zu habe und schielte kurz aus den Wolken. „Zu alt für diesen Scheiß“ sorgte dann noch einmal für Stimmbandbetätigungen im Publikum.
Die nächste Band setzt bei mir eine Gefühlsachterbahn in Gang. Ich durfte sie schon oft sehen und auch fotografieren und auch die Shows waren mal so oder so. Beim Rock’n’Booze, das kann man ohne Bedenken sagen, spielten sie eine tolle Show. Achso, na klar die Rede ist von Wucan, den musikalischen Derwischen aus Dresden. Sängerin Francis wirbelte auf der Bühne und zwischen den Instrumenten hin und her, sich über Mimik und Ausdruck definierend und verwurzelt in den Stücken. Klar ist es mutig mit einem Stück wie „Wie die Welt sich dreht“ anzufangen aber erste „Wandersmann“ Rufe aus dem Publikum zeigten, hier gibt man sich den voluminösen Klangpassagen hin. Aber auch für die Fans der etwas härteren Gangart wurde etwas geboten, z.B. in Form von „Out Of Sight, Out Of Mind“ und natürlich der Zugabe „Am I Evil“, dem NWOBHM Hit der englischen Band Diamond Head. Das Klangmonster „Aging 10 Years In 2 Seconds“, auf der Platte 25 Minuten dauernd, wurde der Spielzeit gerecht angepasst. Auch wenn ich eingangs Sängerin Francis etwas mehr Erwähnung geschenkt habe, möchte ich doch die Performance der ganze Band hervorheben. Das war großes Kino.
Auf die nächste Band war ich sehr gespannt. Gemeint sind My Sleeping Karma, die Klang-Urgewalt aus Aschaffenburg. Sie verharrten im Soundcheck, so hatte es den Anschein. Das war aber keinesfalls störend und gab mir einen kleinen Vorausblick auf das was kommen sollte. Währenddessen hatte ich Zeit zum Merch zu schlendern. Alle Bands waren vertreten und es gab eine Menge zu schauen und einige Tonträger und T-Shirts gingen über den Verkaufstresen. Zu den Klängen von „The Four Horseman“, das ich irrtümlich für das Intro hielt, schlenderte ich wieder zurück zur Bühne, gerade rechtzeitig denn das o.g. Stück verstummte und eine Soundgewalt brach über Bückeburg hinein. Aus dem fotografischen Gesichtspunkt waren es eher Blaulichtspiele, von daher war mehr Zeit der Musik zu lauschen. Einen Tag vorher hatte das Quartett schon das Freak Valley Festival auseinander genommen und nun machten sie sich daran das Gleiche hier zu tun. Als Ersthörer tat ich mich am Anfang schwer, die doch nicht so leichte Kost zu goutieren, im Laufe des Auftritts fiel es mir dann doch leichter. Man muss sich vertraut machen: exzellentes Zusammenspiel der strombasierten Saiteninstrumente, treibendes Schlagzeug und ein Keyboard/Synthesizer-Klangteppich der unter allem schwebte und die einzelnen Songpassagen mal in die Höhe trieb, mal am Boden haften ließ. Klingt durchaus blumig diese Beschreibung, aber es wird immer schwer wenn Worte diese Vielfältigkeit und Klangdichte beschreiben sollen. Den geneigten Zuschauern hat es gefallen und dem Schreiber dieser Worte auch.
Danach war kurzes Abhängen im Sitzbereich angesagt. Neben mir zwei Damen mittleren Alters, die es plötzlich etwas eilig hatten: „Jetzt gibt es richtige Musik, nicht so was wie von den Karma Typen“. Aha, scheint also nicht alle geeint zu haben. War aber klar. Was die Damen unter richtiger Musik verstanden nennt sich The Baboon Show, ist eine weiblich/männliche Kombo, kommt aus Schweden und spielt „…Punk, that kicks ass“. Machen sie, oh ja. Fotografieren unmöglich. Was für eine Stimmung vor den Bühne, Pogo war angesagt. Quer durch alle Altersklassen und geschlechtsunabhängig. Ja, da hat der Veranstalter bei der Auswahl des Headliners ein gutes Händchen gehabt. Als es nach einigen Stücken vor der Bühne wieder etwas ruhiger wurde, kam mit „You’re Not Alone“ die zweite Initialzündung. Nahtlos reihte sich Song an Song, keine Pause für Band und Publikum. „Let’s make the world a better place…“ forderte Sängerin Cecilia und die Band schob „Same Old Story“ hinterher. Was tun wenn man Durst auf ein Bier hat, aber der Bierstand doch sooo weit weg ist? Klar, wozu gibt es die Menge? Ein Hechtsprung in eben diese und Cecilia wurde auf Händen bis zum Bierstand und wieder zurück gereicht. Das Bier kam voll an. Klasse Leistung! Der einzige technische Aussetzer des Tages, Bass und Gitarre waren stromfrei, wurde locker überspielt. Bassistin Frida wies charmant auf den Merch-Stand der Band hin wo man sich nach der Show treffen könnte, außerdem wäre man auch Spaß machenden Getränken nicht abgeneigt. Danach durfte Gitarrist „Hurricane“ Håkan auch mal ans Mikro („Again“). Als Zugabe dann noch „Heidi Heidi Ho Ho“ und schon war Schluß.
Mein Fazit: Ausgezeichnete Location mit allem was das Herz begehrt. Die Organisation war prima, alles ging stressfrei über die Bühne. Tolle, gut schmeckende Verpflegung (ich selber testete Bratwurst und Burger) und ausreichende Auswahl an Getränken. Ich drücke die Daumen dass die Veranstalter ihre gesteckten Ziele erreicht haben und es nächstes Jahr zu einer weiteren Ausgabe des Rock’n’Booze kommen wird. Vielen Dank an Nadine für die Akkreditierung. (hans-juergen)
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