Einige Schätze der letzten Jahre fallen mir erst jetzt in den Schoß. Und obzwar dieses Jahr 2012 mit viel Karacho von aufregenden Neuerscheinungen kündet, ist zunächst noch Aufarbeitung des Gewesenen angesagt. Dass ich mich nun mit dem Album eines deutschen Bluesmusikers beschäftige, kommt nicht von ungefähr. Ich habe mich nämlich entschlossen, während der noch kommenden 359 Tage diesen Jahres weiterhin besonders Musiker aus dem Land der Dichter und Denker auf dem Kieker zu haben. Wer in den letzten Wochen hier die Einträge aufmerksam verfolgt hat, konnte bereits einiges über deutsche Acts registrieren.Heute verweilt der wohlwollende Blick auf dem in Dortmund werkenden Mundharmonika-Derwisch Crazy Chris Cramer, der sein dreizehntes Album „…unterwegs“ mit hervorragendem Blues aus Deutschland veröffentlicht hat. Als Gäste spielen international bekannte Stars wie Mick Taylor, Chuck Leavell, Colin Hodgkinson, Jack Bruce, Pete York und Albie Donelly mit. Und auch mit dabei ist die leider kürzlich verstorbene Piano-Legende Pinetop Perkins.
„…unterwegs“ beinhaltet alle Facetten, die der Blues zu bieten hat und ist ein insgesamt wirklich rundes Album, in dem man Spielfreude, Spaß und Lust auf Musik in jeder Note vernimmt. Die Kompositionen bluesen, rollen und rocken nur so ins Gehör, zeichnen sich durch Vielseitigkeit aus und punkten zusätzlich noch mit Charme und Witz.
Ja, man kann sagen, dass man hier im doppelten Sinne authentische Bluesmusik hört, und zwar einerseits durch die illustren amerikanischen Musiker, die schon bei der Geburtsstunde des Blues dabei gewesen zu sein scheinen, andererseits aber vor allem durch die Verwendung der deutschen Sprache in den Texten von Chris Kramer .
Dies mag zunächst für den einen oder den anderen vielleicht etwas ungewohnt sein, jedoch kommt dadurch der Humor in den Songs noch besser zur Geltung und bietet damit Raum für gute Unterhaltung, Atmosphäre und Emotionen. Und dass dies beim Live-Publikum richtig gut ankommt, konnte ich selbst erleben.
Chris Cramer begegnet in seinen Texten den eigenen Unzulänglichkeiten und den Wogen des Alltags immer mit einem Augenzwinkern. Nie dreht er die Mitleidsschraube zu tief oder hebt das Pathos zu hoch. Deutlich wird dies z.B. in dem Stück „Du gabst mir sieben Kinder (und keins davon sieht aus wie ich)“ oder dem „Es gibt gut, es gibt besser und es gibt mich“. All dies ist unaufgeregt – im besten Sinne.
Bei „Ich hab Scheiß gebaut“ intoniert Chris Cramer mit seiner ungekämmten, widerborstigen Reibeisenstimme dermaßen kraftvoll in alter Rhythm-And-Blues-Manier, dass man ihm den Schmerz ohne zu zögern abkauft, während die beiden Stücke des Albums, „Dein Herz schlägt, wie es schlägt“ und „Hätt`ich nur einen Moment Zeit“, eher ruhig und getragen klingen und dabei ohne jeglichen Kitsch oder Wehklagen auskommen. Das Repertoire dieses Musikers der etwas anderen Art ist groß und scheint an so mancher Stelle schier unerschöpflich.
Ja genau, anders sein als die anderen war sowieso schon immer viel cooler, als mit dem Strom zu schwimmen.
Wer „….unterwegs“ bislang noch nicht am musikalischen Radar verorten konnte, sollte dies unbedingt nachholen. Es ist keineswegs zu spät, sich mit den Perlen von 2009 zu schmücken. Und diese Scheibe gehört definitiv zu denen, die man im Regal nicht nur stehen haben sollte. Gelegenheit dies selbst in Augenschein zu nehmen, bietet die Seite „Diskographie“ http://www.chris-kramer.de , wo jeweils einige Schnipsel ausgewählter Songs anzuhören sind. (….Rosie…..)
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