(ro) Auch wenn „Good Old Germany“ gerade im Sommer reich an Festivals ist, so ist eines wie das „Freak Valley Festival“ meiner bescheidenen Meinung nach doch immer wieder etwas ganz Besonderes. Denn das dreitägige „Freak Valley“ verfolgt seit einigen Jahren ein ganz eigenes Konzept.
Hier können überschaubare 2.500 Besucher zu erstaunlich günstigen Ticketpreisen ein wundervoll entspanntes langes Wochenende erleben. Es gibt kein Gedränge, alles findet in einem übersichtlichen Rahmen statt, man fühlt sich wohl in einer zugewandt familiären Atmosphäre, genießt eine reibungslos geplante Veranstaltung von Machern mit musikalischem Verstand und umfassende Versorgung von vielen, vielen freundlichen Helfern in einem schön gelegenen, waldumstandenen Industriegebiet.
Die geneigten HörerInnen erwarteten 30 Bands auf zwei Bühnen, die wie immer ein amtliches Brett aus dickem Stoner, sphärischen 70s Space, rumpeligem British Heavy Metal, Vintage-Rock, experimentellem Postrock, Doom und New-Wave-Punk präsentierten.
Das alles wurde serviert von Bands u.a. aus Schweden, Großbritannien, den Niederlanden und Italien, dazu gab es Heavy Psych Blues aus Deutschland und nicht zuletzt einen grenzenlos vielfältigen Doom-Psychedelic-Rock’n’roll-Rock-Kosmos aus Chile, Californien und Österreich.
Genau deswegen freute ich mich bereits seit Monaten wie bescheuert auf das „Freak Valley Festival“.
Besonders natürlich auch auf die von uns, den „rockblogbluesspottern“, präsentierte Band „Salem`s Pot“. Ganz klar.
Denn diesen Musikanten fiel es noch nie schwer, mich komplett in eine gedankenbefreite Zone zu geleiten, in der man ein bisschen näher ranrutscht an das angenehme Nichts.
Schon zuhause, bei der Vorbereitung auf das Festival, schaute ich neugierig immer wieder in das Line-Up und freute mich über die Macher, die neben gestandenen Bands auch interessante Newcomer aus nah und fern engagiert hatten.
Dieses Mal machte ich besonders häufig ein Kreuzchen mit „unbedingt ansehen“ beim Genre Psychedelic/Blues.
Wobei ich generell finde, daß das Stöbern im Festivalprogramm sowieso eine große Inspirationsquelle ist.
Wäre ich sonst auf die Idee gekommen, die mir bis dato völlig unbekannten, höflichen Jungs aus Japan namens „Kikagaku Moyo“ anzuschauen? Wahrscheinlich nicht. Asche auf mein Haupt.
Und so wäre mir dann dieser Glückshormone erzeugende, energiegeladene Psychedelic Space und Experimental Rock mit exotischen Sprengseln und feinsten Sitar-Klängen entgangen.
Schon am ersten Abend des Festivals fühlten wir uns so frisch und beschwingt wie lange nicht mehr, waren mental berauscht, durchgerüttelt von diversen Bässen und klanggestrahlt vom Schall, der so druckvoll war wie ein Hochdruckreiniger. Aber auf eine gute Art.
Wir liefen entspannt und in Feierlaune durch wabernde Soundwände und die bunte Menge. Party, wo man auch hinguckte und alles war wunderschön, und alles war perfekt: Bild, Ton, Emotion. Es war wie ein Zuhausegefühl, für mich so wie bei keinem anderen Festival.
„Things change“ so stand es auf der Tasche eines Mädels, das leger auf einem gemütlichen Polstersofa mit Blick auf die große Bühne saß. Ihr eingegipstes rechtes Bein war drapiert auf einem Alukoffer, sie strickte an einem bunten Schal und trug Fingerringe, die sich bei näherem Hinsehen als 20mm Fleshtunnels aus Stahl entpuppten.
Als „Geezer“ begannen, mit überschäumender Intensität und Spielfreude das Gelände zu beschallen, landeten die Stricknadeln schwungvoll in der Tasche. Mit tatkräftiger Unterstützung ihres schwer Nachtfeier-gezeichneten Partners im imposanten 4-XL-Shirt hüpfte sie dann Richtung Stage.
Oh ja, alles war voller Musik, rundum beglückend, überall, tagelang.
Egal, ob vor der stets frequentierten Cocktail-Hütte, auf der Wiese, in der Merch-Garage, unter den Bäumen, im Zelt, auf den Schaukeln, den Bierbänken – immer wieder Freude machend, so wie alle Jahre wieder.
Ich kaufte mir ein schwarzbuntes Festval-Shirt und ein paar Patches, tanzte überschwänglich mit bei Geezer, hopste bei „The Brew“, die, noch mal eine Schüppe drauflegend, mich geradezu euphorisierten.
Von den überaus netten Näh-Damen der AWO ließ ich mir an deren Nähstand die frisch erworbenen Patches in perfekten Positionen auf die Jeans applizieren, während nebenan die Schnittlauchhaare eines bleichen Tarzans in coole Bob-Marley-Dreadlocks verwandelt wurden.
Ich ließ mich mit den RBBS-Kollegen auf der kleinen Bühne fotografieren, wippte in den famosen Klangbildern von „Greenleaf“, die einen tief in sinnesverwirrende Zustände hineinsaugten, bekam Gänsehaut bei dem überwältigenden Klangsturm von „Mammoth Mammoth“ und dazwischen – natürlich – genoss ich lila Sonnenuntergänge, Currywurst-Pommes und veganen Schoki-Kuchen (zum Fingerschlecken) und das ein oder andere leckere Getränk.
Zwischendurch suchte ich immer wieder bewundernd das visuell-künstlerischen Werk aus Netzvinyl von Niels, genannt „Cany The Kizard“, auf, das hinter der Blockhütte aufgespannt war und überzeugte mich von dessen Fortschritt.
„Das wird ein weiteres Teil für die Bühnenumrandung“, erklärte Niels, während er locker flockig die Farbdosen und seine langen Haare schüttelte, „seit drei Jahren bin ich schon beim „Freak Valley“ dabei und arbeite jedes Mal während des Festivals daran.“
Ich nickte beeindruckt ob dieses visuellen Leckerbissens psychedelischer Kunst.
„Für die Motive habe ich freie Hand,“ setzte Niels hinzu, „zuerst skizziere ich sie und dann arbeite ich sie nach und nach aus.“
Und darum, so nahm ich mir vor, werde ich mir im nächsten Jahr neugierig anschauen, wo denn genau dieses neue Stück der Bühnenumrandung zu sehen sein wird.
Und bis dahin stecke ich mir einen großen Haufen kunterbunter, wunderbarer Erinnerungen an ein fantastisches Festival in eine imaginäre Tasche und nehme sie mit nach Hause.
Denn auch diesmal war es so schön wie nie und so schön wie immer….
Danke, Danke, D.A.N.K.E. an alle Macher und Beteiligten und auf ein Neues in 2018! (.. Rosie )
P.S. Bedauerlicherweise habe ich hier aus diversen Gründen nur wenige Bildmotive zur visuellen Untermalung anzubieten.
Aber ich bin ganz sicher: meine RBBS Kollegen Kirsten und Jens werden euch diese in Kürze und in höchster Qualität zeigen.
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