(js) Sodann stand Tag 2 an. Wie üblich gut genächtigt und gefrühstückt im Gasthof Weber hieß es gegen 13.00 Uhr: „auf, auf zum Gelände“. Dort warteten nicht weniger als neun Bands aus sechs Ländern auf uns.
Los ging es mit einer Premiere. Eigentlich sogar zweien. Nicht nur, dass die „Galactic Superlords“ aus Kölle erstmalig auf dem FVF spielten, stellten sie an diesem Tage auch offiziell ihren ersten Longplayer vor. Aus gut unterrichteten Kreisen ließ sich erfahren, dass das Album, quasi mit heißer Nadel gestrickt, erst kurz zuvor fertig wurde. Zur Feier dieses Momentes spielten die Superlords im Rahmen ihres Auftritts auch nicht weniger als das komplette Album. Und das war auch gut so. Mir, als Ende der 70er musikalisch quasi rein metallisch Sozialisierter, ging geradezu das Herz auf. Die Jungs um Frontfrau Kathi ließen schon früh erkennen, dass man nicht gewillt schien, Gefangene zu machen. Es bedurfte nicht ansatzweise steigender Temperaturen, um das schon gut gefühlte Grün kontinuierlich aufzuheizen. Mit ihren „Twin Guitars“, die allein schon einen Vergleich zu „Thin Lizzy“ geradezu einfordern, ihren markant gesetzten Riffs und den Refrains, die ich beim nächsten Gig sicherlich schon perfekt mitsingen kann, setzten sie ein verdammt starkes Ausrufezeichen. Mal etwas modernerer Heavy Rock, aber auch unglaublich viele Melodien, die aus der Hochzeit des „New Wave Of British Heavy Metal“ stammen könnten. Dazu die Intensität, das Charisma und die kongeniale Stimme von Sängerin Kathi und fertig war ein mitreißendes Set. Kleine Anmerkung meinerseits: ich habe die Band eine Woche zuvor in meiner Heimatstadt Herten auf einer recht kleinen Bühne vor einem kleinen Publikum spielen sehen und bin absolut begeistert davon, wie wenig man den fünf Kölnern diesen Tatbestand anmerkte. Egal wo, wie und unter welchen Bedingungen, hier gibt’s immer die vollen 100%. Gitarrist Alex erzählte mir nach dem Auftritt, dass man eben jenen Auftritt in Herten und einen weiteren wenige Tage später nutzte, um sich fürs FVF ordentlich einzurocken. „Mission completed“ würde ich sagen.
Von Kölle aus ging’s musikalisch weiter Richtung Zweibrücken zu „“Rage Of Samedi“. Eigentlich 2012 nur als Projekt gegründet, stehen mittlerweile 2 Alben auf der Habenseite. Mit ihrem zähen, bisweilen ein wenig depressiven Mix aus Doom und Sludge lederten sie eine ordentliche Breitseite ab, während derer sie sicherlich verknusen konnten, dass sie mit mir keinen großen Anhänger ihre Musik an ihrer Seite hatten. Nichtsdestotrotz zeigten die Reaktionen des Publikums einmal mehr, dass das FVF nicht nur Jahr für Jahr eine unglaubliche Mixtur verschiedener Genres anbietet, sondern zugleich auch stets den Nerv der Zuhörerschaft trifft. In ihrem Auftritt legten sie eine derart fiese und schmutzige Patina über ihre Songs, dass es die Nacken ihrer Anhängerschaft nur so zermürbte.
Wie in jedem Jahr sponserten wir als rockblog.bluesspot auch 2018 eine Band. Nämlich „Humulus“. Eine Kapelle, die aus dem Land meines Vaters stammt. Italien eben. Als sei dies noch nicht genug der Ehre, entschloss ich mich nach deren Gig, sie schon zu diesem frühen Zeitpunkt als eines meiner persönlichen Highlights dieses Festivals zu bezeichnen. Was ich noch nicht wusste – sie blieben es auch. „Humulus“, bereits im Jahre 2009 gegründet, kamen mit der Empfehlung zweier LPs und einer EP zum Festival. Zwischenzeitlich, im Jahre 2015, kam es zu einer Änderung des Lineups und Gitarrist und Sänger Andrea van Cleef stieß zur Band. Und dieser Wechsel tat der Band gut, einfach schon aus dem Grunde, weil er sich mit seinem rauchigen Organ von vielen anderen Stimmfarben in diesem Stoner/Psychedelic-Genre absetzt. Kein Zufall also, dass das Set weitestgehend aus Songs des 2017er Outputs „Reverently Heading Into Nowhere“ bestand. Die Jungs neben Andrea, Bassist Giorgio Bona sowie Drummer Massimiliano Boventi, sorgten für einen unvergesslichen Auftritt, der unaufgeregt und druckvoll zugleich war. Ihren Sound, den ich als gelungene Koexistenz der teils desillusionierten Lebenseinstellung des „grungigen“ Seattles und der Energie und „Spiritualität“ kalifornischer Wüsten bezeichnen würde, überzeugte mich vollends. Sehr groovige Parts wechselten sich mit psychedelischen Exkursen so unfassbar perfekt ab, dass es dem gesamten Publikum eine echte Freude zu sein schien. Nach viel zu schnell vergangenen 45 Minuten endete ihr Auftritt mit „Zugabe“-Rufen aus dem weiten Rund. Zwar handelte es sich bei „Humulus“ nicht um die erste italienische Band dieses Festivals, so konnten sie aber doch mit einer Premiere aufwarten. Waren sie doch die ersten, die ihr eigenes Bier mitbrachten. Ein Schwarzbier, welches sie gemeinsam mit einer italienischen Brauerei herstellen. Zwei mitgebrachte Fässer à 25 Liter wurden auch kurzerhand unters durstige Volk gebracht. Und dabei hätte es dieses Mitbringsel gar nicht bedurft, hatten sie sich längst schon in mein Herz – und die Ohren – gespielt.
Eine weitere Premiere stand auch im Anschluss auf dem Programm. Mit „Ruff Majik“ betrat erstmalig eine südafrikanische Combo Netphenschen Boden. Eine Band, von der ich bis zum Ende des Gigs nicht genau wusste, was ich von ihr halten sollte. Was schon mit der Stimme des Sängers, die ein recht dünnes, schrilles Timbre aufwies, begann. Man hätte die Band durchaus auch für „female fronted“ halten können. Die drei Jungs aus Pretoria spielen eine Art Stoner-Metal, die bisweilen auch leicht proggige und garage-artige Züge aufwies. Da aber schon die Alben für ein Live-Jamming-Gefühl sorgen, hatte man den Eindruck, dass die Songs ungefiltert auch live gespielt werden können. Rifforgien paarten sich mit Boogieparts und schleppende Doomsounds wollten auch nicht hinten anstehen. Ein unter dem Strich in jedem Fall sehr interessantes und unterhaltsames, weil abwechslungsreiches Set.
„Musik für Maschinenbaustudenten“ titelte mal ein Magazin über den letzten Output der drei Plauener Jungs von „Mother Engine“. Und ja, dass das neue Mutterschiff, dessen Herstellung im letzten Album „Hangar“ ausgiebig vertont wurde, nicht minder flott läuft wie die alte Maschine, durften wir alle schon auf Vinyl abfeiern. Dass aber exakt diese mit Unmengen Riffs, unglaublichen Takten und Effekten versetzte Instrumentalpräzision auch live derart zusetzen kann, weiß ein jeder wohl spätestens ab diesem Tage. Dynamisch, leidenschaftlich und doch bisweilen so wunderbar tonnenschwer beschallt, verließen wir die Weiten des Siegerlandes, um uns fernen Galaxien zu widmen und uns zugleich von der Funktionalität des neuen Raumschiffs selbst ein Bild – sowie zwei Ohren – zu machen. Perfekt dargebotene psychedelische Parts gesellten sich so harmonisch zu fuzzig-bluesigen Riffs und spacigen wie auch proggigen Momenten, dass man fast vergessen konnte, sich des Nachts wieder in den Gasthof Weber bewegen zu müssen. In einem nur allzu irdischen Auto wohlgemerkt. Dieses formidable Sound-Erlebnis werde ich definitiv so schnell nicht vergessen. Ungeachtet der Tatsache, dass ich „Mother Engine“ ohnehin bis dato nur über die Alben genossen habe.
Das im Anschluss folgende nordamerikanische „Powerhouse“-Trio Sumac musste infolge dessen leider ohne mich auskommen. Nebst einer intensiven Nachbearbeitung meiner intergalaktischen Exkursion forderte auch mein unter Lebensmittelentzug leidender Körper Tribut. Einmal mehr boten dafür die Stände des FVF eine tolle Auswahl hochwertiger Speisen zu moderaten Preisen. Nur für den Fall, dass jemand fragt: Bier gibt’s auch.
Wohlgenährt widmete ich mich sodann den Darmstädter Jungs von „Bushfire“. Sie begannen ihren Gig für meinen Geschmack etwas zu nervös. Dies mag daran gelegen haben, dass es zu diesem Konzert einen Livemitschnitt geben wird, der dann auch via „Rock Freaks Records“ auf Vinyl gepresst und veröffentlicht werden soll. Das Publikum vor der Bühne, das von diesem Unterfangen wusste, tat aber alles Menschenmögliche, um das Quintett auf der Bühne zu unterstützen und ihm den notwendigen Rückhalt zu bieten. Und so zündeten „Bushfire“ dann auch schon recht flott so wie man es von ihnen auch gewohnt ist. Die Jungs benötigen rein musikalisch ohnehin keine Umwege, um dir dein Hinterteil nach allen Künsten der Rockmusik zu versohlen. Der charismatische Sänger Bill, einmal mehr barfuß und volksnah unterwegs, unterstützt die Rhythmusfraktion dabei einmal mehr perfekt. Ab und an tönt er mir dabei wie Zakk Wylde. Die Melange aus Stoner, Doom, Blues und Southern Rock, die zudem in schöner Regelmäßigkeit mit einer echten kick-ass-Attitüde versehen ist, lässt dir sowieso kaum Raum, ruhig stehen zu bleiben. Mit dem fantastischen „Ton Steine Scherben“-Cover „Macht kaputt, was euch kaputt macht“, endete ein furioser Gig, der hoffentlich auch die Band glückselig stimmt. Wir drücken für die Veröffentlichung in jedem Falle fest die Daumen.
Als Überraschungsact des 2018er Festivals werden mir „My Baby“ in allerbester Erinnerung bleiben. Das seit 2012 existierende niederländisch-neuseeländische Trio war mir bis dato zur Gänze unbekannt, so dass ich ganz vorbehaltlos den ersten Tönen lauschte. Und zwar mit einem Sound, den ich als „swampy“ Country Blues, als funkig, bisweilen soulig und natürlich psychedelisch beschreiben würde. Zur Folge hat diese Musik aber zweifelsohne, dass jeder nur mögliche Untergrund sich flugs in einen Dancefloor verwandelt, der in den 70er Jahren kaum ekstatischer hätte beackert werden können. Man kann sich kaum davon freisprechen, sich selbst zumindest in einen leichten, wenngleich auch dynamischen, Wiegeschritt zu begeben, wie es mir meinem Alter entsprechend vernünftig scheint. Diese Band machte einfach Spaß und schien das Lasso, mit dem es mich schon früh einfing, partout nicht lockerer halten zu wollen. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich darüber hinaus gar nicht, dass eine Band in der Lage sein kann, hypnotische Trancebeats und psychedelische Riffs gleichermaßen, final in einem rostigem Blues zu kanalisieren. Und all das fruchtet auch trotz der nur minimalen Interaktion mit der tanzenden Menge. Ganz stark wie Sängerin Cato es immer wieder vollbringt, die Zuhörer nur mit wehenden Armen und Zwischenrufen wie „ready“ oder „take it higher“ mitzunehmen und jede Melodie noch zu einem weiteren Höhepunkt und einem weiteren Crescendo zu führen. Das war einfach sackstark.
Im Grunde folgte für mich zum Abschluss des zweiten Abends ein weiterer Überraschungsact. Allerdings in einer komplett gegensätzlichen Einschätzung. Wie wohl viele Musikliebhaber habe ich mich wahnsinnig auf „OM“ gefreut. Auf drei geniale Musiker, die sich nur allzu selten live blicken lassen. Auf betörende und hypnotisierende Songs, die man bisher nur von den Alben kannte. Allerdings verkehrte sich dies für mich komplett ins Gegenteil. Es mag vielleicht schon daran liegen, dass es dort wo ich stand nicht perfekt ausgesteuert klang. Aber schon die Tatsache, dass die drei die erste Band waren, die recht lang auf sich warten ließ, ohne wohl ausschließlich technische Probleme zu haben, ließ schon nichts Gutes erwarten. Natürlich weiß man, was man von „OM“ weitestgehend zu erwarten hat, aber diese Monotonie, und das war mein persönlicher Eindruck an dem Abend, ließ sich in nicht unerheblichem Maße auf die Gleichgültigkeit der Akteure zurückzuführen. Und als man dann noch mitbekam, dass Kultbassist Al Cisneros im Laufe des Gigs eine Kamera auf der Bühne liegen sah und diese dann wütend und kraftvoll in eine Ecke trat ist es mir persönlich dann doch zu viel „Rock’n“Roll-Superstar“-Gehabe, was an den Tag gelegt wurde. Zumal seine künstlerische Darbietung damit nicht wirklich Schritt halten konnte. Größer konnte ein Kontrast zwischen einem selbstverliebten Musiker und dem so dankbaren, friedfertigen Publikum des „Freak Valley Festivals“ kaum sein. „OM“, setzen sechs….(Text JensS, Photos: Kirsten/Kiki No (Galactic Superlords, 1 x Rage Of Samedi, Humulus, Ruff Majik, Mother Engine, Bushfire) Jens Mueller (1x Mother Engine, My Baby, OM)
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