(as) Die Bayern „Karakorum“ haben sich im Lauf dreier Jahre heimlich, still und leise zu einer echten Marke in Sachen Krautrock gemausert, was sie nun mit „Fabels and Fairytales“ aufs Neue bestätigen. Da die Musiker aus Mühldorf am Inn mittlerweile auf ein selbst betiteltes Demo und die denkwürdige Live-Veröffentlichung „Beteigeuze“ (2017) zurückblicken, darf man von ihrem aktuellen Werk nichts weniger erwarten als eine Konsolidierung auf allen Ebenen.
Die Band wäre dumm, sich stilistisch drastisch zu wandeln, vor allem weil es in ihrem angestammten Bereich noch so viel zu entdecken gibt. Das Thema Weiterentwicklung nimmt sie jedoch mit Bedacht in Angriff, indem sie mit keinem der drei neuen Tracks irgendetwas überstürzt.
Auch wenn „Karakorum“ vorwiegend auf Longtracks setzen, hinterlässt die Platte löblicherweise einen kompakten Eindruck; in weniger als einer Dreiviertelstunde ist tatsächlich alles Wesentliche gesagt … und des Hörers Hunger nach mehr geschürt.
Das Material ufert mit fortlaufender Spielzeit immer weiter aus. Für „Phyrigian Youth“ genügen zu Beginn noch knapp zehn Minuten, in denen majestätische Unisono-Riffs von Gitarre und Orgel auf eine spannende Reise zurück in die Hochphase des Classic Rock einstimmen. Neben Deep Purple schimmern hier auch die pastoralen Momente der britischen Prog-Szene durch, bloß dass Axel Hackner mit seiner kräftigen Stimme einen ausgesprochen zeitgemäßen Eindruck hinterlässt; sie hat etwas Dringliches an sich, das Empfänglichkeit für die Spannungen der Moderne suggeriert …
Ungeachtet solcher Spekulationen neigt das Quintett im Folgenden verstärkt zu jazzigen Instrumental-Abfahrten, wobei „Smegmahood“ (14 Minuten) die versponnene Art von Frank Zappas rockigen Formationen zu emulieren scheint und die Vocals zusehends in den Hintergrund rücken. Die Virtuosität der Band raubt stellenweise geradezu den Atem und lässt umso mehr darauf hoffen, dass man sie in Zukunft irgendwo in der Nähe live erleben darf.
Konträr zu den vielen „schrägen“ Parts binden „Karakorum“ häufig richtig schöne Psych-Pop-Melodien ein oder agieren so polyphon wie „Gentle Giant“ zu besten Zeiten. „Fairytales“ markiert – was Wunder bei 23 Minuten Dauer? – den vorläufigen Höhepunkt ihres kompositorischen Schaffens, wenn auch wohlgemerkt erneut mit so einigen improvisatorischen Parts. Das Stück gleicht einer symphonischen Suite, ohne tatsächlich symphonisch zu sein, schrammt Free-Jazz-wie Ambient-Gefilde und schieren Lärm, versprüht sowohl Wehmut als auch Lebensfreude und erzeugt sogar Doom-metallische Wucht.
Wer da noch von reinem Retro-Gerödel spricht, hat schlichtweg keinen Plan.
www.karakorum.bandcamp.com
46:35
Tonzonen
Phrygian Youth
Smegmahood
Fairytales
(Andreas Schiffmann)
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