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Bellhound Choir – Worried Kid

(js) Anno 2012 wurde ich erstmalig mit dem Namen Christian Hede Madsen konfrontiert. Damals noch als Leadgitarrist der dänischen Stonerrocker „Pet The Preacher“. Nach Auflösung der Band begann Christian sich schon im Jahre 2015 ein wenig neu zu erfinden. Mit den ersten Solo-Songs im Kasten sah ich ihn in jenem Jahre wieder; im Vorprogramm der Akustiksession des großen John Garcia. Und natürlich passte es musikalisch wie die Faust auf Auge. Christian stand damals allein mit seinen Gitarren auf der Bühne und begeisterte mit zeitlosem Blues, der ab und an Folk und Americana Klänge freundlich und stimmig mit einbezog.

Im letzten Jahr dann spielte er bereits sein erstes Album ein: „Imagine The Crackle“  überzeugte durch puristische Bluesmelodien, die „back tot he roots“ nicht gefälliger und gleichwohl gefallender hätten interpretiert werden können. Mit dem aktuellen Output schließt er sich dieser Geschichten an, die er uns im Vorgänger bereits erzählte. Acht Songs über ein Leben in Dunkelheit, getrieben von den eigenen Schatten, unterwegs den Weg in eine bessere Welt finden. Er zeichnet in seinen Liedern eine zerbrechliche Person, getrieben von einer Welt, so wie wir sie kennen. Dieser loszusagen und sich der Wildnis zu stellen, um sich neu kennenzulernen und die eigene Sinnhaftigkeit und Existenz zu hinterfragen.

Nicht nur thematisch erinnern mich Christians Songs umgehend an den biografischen, von Sean Penn toll inszenierten Film „Into The Wild“ über den frustrierten Zivilisationsflüchtigen Christopher McCandless. Und nicht minder an den dazu gehörigen großartigen Soundtrack. Damals fast komplett geschrieben und eingespielt von Eddie Vedder.

So könnte der Opener „Gettin‘ Bigger“ schon auch auf jenem Soundtrack vorhanden sein. Einzig begleitet vom eigenen Gitarrenspiel führt uns Christians grandiose Stimme allein wandernd auf die amerikanischen Highways. Auf der Suche nach Reduktion auf das existenziell lebenswichtige, gibt er mit diesem puristisch und gleichermaßen eindrucksvollen Lied dieses Gefühl nur allzu gut wieder. Man verliert sich glückselig mit ihm in den Weiten der Wildnis. „Full Moon Tide“ spielte Madsen mit dem Produzenten seines Zweitwerks, Sebastian Wolff ein, der ansonsten als Kopf der dänischen Progmetal-Combo „Kellermensch“ verantwortlich zeigt. Zweistimmig führen uns die beiden auf die musikalischen Pfade, die jedes „American Songbook“ bereichert hätten. Und man fragt sich, wieso die dritte Strophe verdammt noch einmal nicht von Johnny Cash eingestimmt wird. Grandios.

Mit „Oh Little Michael“ lässt Madsen uns den „Swamp“ spüren. Louisiana, Veranda und das Zwiegespräch zwischen Vater und Sohn. Melancholischer und düsterer zugleich kann eine tragische Geschichte kaum erzählt werden. Dieser treibende Rhythmus samt des im Verlauf des Songs stets eindringlicher werdenden Gesangs, findet dann in den an jenen kleinen Michael gerichteten, flehenden letzten Worten, einen genialen wie tragenden Abschluss. Gänsehaut darf sich wohlwollend breit machen. „Bad Weather“ ist im Anschluss weitaus mehr als die Begleitmusik unseres diesjährigen Aprilwetters. Vielmehr zeigt sich auch hier die Qualität Christians, seine Vorliebe sein gedämpftes, puristisches Gitarrenspiel mit ausdrucksstarker, gefühlvoller Stimme zu paaren und mich einmal mehr Eddie Vedders „Into The Wild“ Soundtracks zu erinnern. Wow!

Energetischer, kraftvoller beginnt dann der zweite Teil des Albums. „The Jacket“ führt einen Stakkato-Rhythmus durch die Weiten der Prärie, gescheucht vom unbändigen Willen, sich selbst zu finden. Eine wunderschöne Melodie rockt uns fast schon Stonerrock gemäß durch den Song, der Folk-Anleihen nicht zur Gänze verneinen kann und uns thematisch fast schon den Hoffnungsschimmer am Blues-Horizont ergreifen lässt. „Dawn“ nimmt diesen Faden bluesmusikalisch nur allzu gern auf und versucht durch geradezu bittersüße Delta-Klänge unser Schicksal gnädig zu stimmen.

Das dem Album seinen Namen gebende „Worried Kid“ könnte nicht nur aus der Feder des Bosses Springsteen stammen, sondern stünde ihm ebenso großartig zu Gesichte. Eine wunderschöne Ballade, die einmal mehr eindrucksvollen Gesang und eine unverkennbare, gleichermaßen in Wort und Musik spürbare, Lyrik zum Höhepunkt vereint. Für mich persönlich der stärkste Song des gesamten Albums. Welches mit dem swampy Delta-Blues von „Home“ endgültig und viel zu früh schon schließt. Madsen eröffnet uns in „Home“, dass unsere Erlösung möglich ist und führt seinen – auf diesem Album thematisch eingeschlagenen – schicksalhaften Weg hoffnungsfroh zurück nach Hause. Wenn wir eben verstehen, dass „Home“ eben nicht das Haus, indem wir wohnen, ist, sondern einfach ein atmosphärisches Gefühl. Oder mit seinen Worten: “Home is not this house, but this atmosphere.”

Und atmosphärisch ist das mindeste, was ich diesem tollen Drittwerk attestieren kann. Es wurde selbstverständlich wieder live im Studio eingespielt und kommt ohne jeden Overdub aus. Gerade ein Mann, ein Instrument und eine Handvoll Songs für diejenigen von uns, die fähig und waghalsig genug sind, uns auf Christians schicksalhaften Weg auch unterhalb der dünnen Oberfläche zu begeben. Er lässt uns dieses Gefühl, am Kommerz und der Gier der heutigen Welt zerbrechen zu können, musikalisch spüren. Zeigt uns gleichwohl aber auf, dass wir gerade deshalb nichts zu verlieren haben und unseren eigenen Weg ohne Wenn und Aber einschlagen sollten. Und wenn tatsächlich jede gute Musik aus Schmerz und Trauer geboren wurde, dann erklang der Sound eines wie auch immer gearteten Tiefpunktes nie so wunderbar wie bei „Bellhound Choir“.

Produziert wurde das Album von vom vorher schon erwähnten Sebastian Wolff und erschienen ist es im Übrigen als erstes Release auf Christians neu gegründetem Label namens „Salbar“. Er betrachtet sein Label als eine Initiative, die ihn als einen Mann auf seinem Weg zeigt und ihm die Möglichkeit gibt, Dinge einzig nach seinem Gusto tun zu können. Nämlich seine Musik denen anzubieten, die bereit sind, „Bellhound Choirs“ Geschichten über einen Mann und seinen Pfaden durchs Leben mitzuerleben.

Tracklist:
01 Gettin‘ Bigger 05:32
02 Full Moon Tide (feat. Sebastian Wolff) 03:19
03 Oh, little Michael 04:17
04 Bad Weather 04:04
05 The Jacket 03:17
06 Dawn 05:09
07 The Worried Kid 04:56
08 Home 05:28

https://www.facebook.com/Bellhoundchoir/

Filed under: Album Reviews, Blues, Country, Folk, Rock, ,

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