(pe) 22 Jahre hat dieses „historische“ Album von Sula Bassana nun schon auf der Rille – und direkt vorab gesagt: es ist wunderbar gealtert wie eine exklusive Weinrarität!
„Dreamer“ ist das Debutalbum von Sula Bassana und erblickte 2002 das Vinyl-Licht der Welt auf Nasoni Records. 2012 folgte eine 10-jährige Jubiläumsedition, die von Krautrocklegende Eroc komplett neu remastert und mit einem neuen Artwork von Komet Lulu (Electric Moon) versehen wurde. Und 2024 beschenkt uns Sula Bassana nun mit einer auf 300 Stück limitierten 180 Gramm schweren, recycelten „Re-Re-Issue“ in zufälliger Farbe und mit dem genialen Original-Coverartwork des italienischen Designer-Kollektivs „Malleus“ (gegründet unter anderem von zwei Ufomammut-Mitgliedern!).
Der „Wizard of Oz“ hinter dem Vorhang von Sula Bassana ist Multiinstrumentalist Dave Schmidt (Electric Moon, Zone Six, Weltraumstaunen, Krautzone, um nur einige seiner vielseitigen und vielschichtigen Projekte zu nennen).
Hört man sich „Dreamer“ heute an, merkt man schnell, wie weit Sula Bassana seiner Zeit mit dem auf dem Album vorherrschenden Stilmix aus Psychedelic, Rock, Noise, Ambient und Electronic voraus war – denn das Album wäre definitiv auch in heutiger Zeit als Psych-Perle mit offenen Armen empfangen worden und fasziniert 2024 mit seiner Vitalität und Virtuosität genauso wie vor 22 Jahren: hört man das Album in Gänze, geht man mit Sula Bassana auf eine Reise und träumt sich (wie schon der Titel verspricht) auf einem regenbogenfarbigen bunten Trip durch Raum und Zeit.
Psychedelischer Pop-Rock im Stile der ausgehenden 60er mit einer wunderbaren Hammondorgel unterstrichen steht mit dem Song „Dreamer“ an erster Stelle der Reise und wird direkt gefolgt von meinem ersten großen Highlight des Albums: „Dealer McDope“ – ein fetter Psych-Rocker, der sich über die komplette Lauflänge um das zu Beginn solo gespielte ohrwurmartige Gitarrenriff herumschmiegt, dreht und wirbelt, als wäre das Riff das Auge des Sturms, um das der Song tornadoartig herumkreist.
Und das zweite große Albumhighlight folgt auf dem Fuße: „My Blue Guitar“ – ein Song, an dem man ohne Floyd´sche Assoziationen einfach nicht herumkommt und in dem Dave Schmidt seine Fähigkeiten als Gitarrist mehr als nur beeindruckend unter Beweis stellt – und das nicht nur rein technisch, sondern vielmehr auf einer emotionalen Ebene, die nur wenige Gitarristen zu erzeugen vermögen – denn mit seinem sphärischen Gitarrenspiel transportiert er Emotionen und lässt das Traum-Thema aufleuchten als wäre man Zeuge der Geburt eines neuen Sterns auf einer Reise durch die endlose Weite des Weltenraums. Sehnsucht, Traurigkeit, Vergänglichkeit – eben der titelgebende „Blues“ tropfen aus jeder sphärisch gespielten Note des Songs, und es würde mich wahrlich interessieren, was ein Herr Gilmour zu dieser Perle von Song sagen würde …
Ab dem vierten Song schlägt das Album dann unerwartet eine neue Richtung ein und überrascht mit eher experimentellen Elektronik-Klängen: “Nervenlähmung“ schüttelt die den Hörer mittels reizüberflutender Noise-Effekte durch und bringt die Ohren mit seiner beunruhigenden Klanglandschaft in Hab-Acht-Stellung, die dann schönerweise direkt mit dem 13minütigen ambientartigen Longtrack „Ananda“ (Sanskrit für „freudige Glückseligkeit“) mit Sitar und (von einem kurzen dramatischen „One of these Days“-Part gegen Ende abgesehen) sanften, sphärischen Klängen wieder zu beruhigen weiß.
Mit „Baby Blue Shuffle in D major“, dem Cover eines gleichnamigen unveröffentlichten 1968er Pink Floyd Songs endet das Album – während der Song bei Pink Floyd ein reiner, sehr ruhig, sehr sanft und friedlich gespielter Gitarrentrack ist, verneigt sich Sula Bassana mit wesentlich mehr Dynamik und Klangcollagen aus mal funkiger, mal tiefverzerrter Gitarre, Keys und oszillierenden Soundeffekten tief vor den Anfängen des Psychedelic Rocks aus Pink Floyd´s Syd Barret-Ära.
„Dreamer“ ist ein echtes Glanzstück des Psychedelic Rocks und Sula Bassana schafft es auf brillante Art und Weise, den Psych-Rock früher Jahre mit aktuelleren Versatzstücken zu verweben und damit das Gestern und das Heute zu einer ganz eigenen modernen stilistischen Art zu verbinden, dabei aber niemals die Wurzeln des Psychs zu vergessen, sondern eben diesem ganz bewusst an vielen Stellen des Albums mit einem dankenden Zunicken Tribut zu zollen… (peter)
Die 22 Years Anniversary Edition von „Dreamer“ ist im April 2024 auf Sulatron Records erschienen:
https://www.sulatron.com/xoshop/stoner70er-rockdoom/sula-bassana-dreamer-22-years-anniversary-lp-dl.html
Mehr über Sula Bassana:
http://www.sulabassana.de/
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