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Wolfgang Becker & Christoph Keisers – Herbes Glück

beckerkeisersAkustischer Folk-Blues aus Ratingen

Wenn Wolfgang Becker und Christoph Keisers Hand anlegen, sollte man als Freund oder Freundin des zeitgenössischen Folk-Blues auf jeden Fall ganz genau hinhören. Denn die beiden Herren vom Niederrhein wissen nach ihrer nunmehr 18-jährigen Bandgeschichte mit „Schwarzbrenner“, welche Farbe sie anrühren müssen, damit der Sound diese intensive Herzenswärme und Großstadt-Lässigkeit bekommt.

Ja, manche Cds haben Entstehungsgeschichten, die eher an Fluss-Schleifen als an geradlinige Produktionen erinnern – die CD „Herbes Glück“ gehört definitiv dazu.
„Angefangen hat alles vor ein paar Jahren,“ erzählt Wolfgang Becker, „als wir die Idee hatten, unsere „Schwarzbrenner“- Songs einmal anders zu Gehör zu bringen“.
Und das ist Wolfgang Becker und Christoph Keisers meiner Meinung nach ganz hervorragend gelungen.
Reduziert auf Stimme, akustische Gitarre und Percussion wird hier ein kleines und sensibles Meisterwerk der inneren Einkehr geboten.
beckerkeisers2„Herbes Glück“ ist eine sehr nachdenklich fühlende Platte, deren Zärtlichkeit mitunter auch trügerisch scheint. Weil die Emotionen zwischen Nähe und Distanz changieren, weil die gewählte Ästhetik sowohl bitter als auch süß schmeckt.
Das ganze Album durchzieht eine dunkel-untertönige Aura, auf dem ein spannender Spagat zwischen manchmal fast identisch bleibenden Motiven und zugleich dynamischen Spannungsbögen gelingt. Doch ziehen sie ganz allmählich hinein in ihren karg-schönen Klangkosmos.
Dank der charismatischen Stimme von Wolfgang Becker und der subtilen, minimalistischen Instrumentierung bleiben die Songs zwischen Traurigkeit und verhaltenem Optimismus sofort im Herzen hängen.

Alle zehn Tracks dieser Platte haben eine klare Struktur. Sie schwingen zwischen irdischer Sinnlichkeit und einer allgegenwärtigen Einsamkeit hin und her.
Schon gleich der Opener „Junge Vögel“ ist ebenso verstörend wie verlockend.
Wo manche der Lieder in einer engen Kulisse spielen, durchschleichen andere, wie z.B. „Wind, Wind“ von fiebriger Sehnsucht getrieben das Erdenrund.

Großartig finde ich die neue Version der „Juninacht“, ein „Schwarzbrenner“- Song mit einem Text des leider viel zu früh verstorbenen Georg Heym.
Mit einem Bein in unglaublicher Schönheit verhaftet, sind dessen Lyrics doch mit dem anderen in den Fesseln abgrundtiefer Melancholie verheddert.
Wer kann unberührt bleiben bei den ergreifenden, so unpathetisch formidablen Worten: „Du ruhst so nah bei mir. Ich hör das Schlagen // Von deinem Herzen durch die Wände gehn.“
Heyms innerer Schmerz zeigt sich nicht nur hier als gedämpfte Ruhe nach (oder vor) dem Sturm. Es brodelt, aber alles ganz langsam.
„Irrende Lichter“, ein Lied mit einem klugen, von Übertreibungen freien Text von Andreas Hähle, ist ein desillusioniertes, reduziertes Drama, ein einsames Lamento, das Erlösung ersehnt:  „Die Stunden vergehen nicht mehr so schnell // Es ist ja auch Herbst und es wird nicht mehr hell // Die Tage vermodern, werden Sumpf, werden Moor // Niemand wird sich mehr lieben als am Abend zuvor.“

Ja, „Herbes Glück“ ist in der Tat ein bemerkenswertes Album und wird Liebhaber derartiger Klänge ganz bestimmt zu beeindrucken wissen. Ein Soundtrack, der genau richtig ist für den anstehenden Herbst, für stille Stunden voller Tiefgang und Sehnsucht. (…Rosie…)

Songliste:
1. Junge Vögel // 2. Schnee überm See // 3. Tod der Liebenden im Meer // 4. Wind, Wind // 5. Juninacht // 6. Irrende Lichter // 7. Kleiner schöner Engel // 8. In der Hitze der Stadt // 9. Herbes Glück // 10. Der Gott der Stadt

http://www.beckerkeisers.de/

Wolfgang Becker – Gesang, Gitarre
Christoph Keisers – Percussion

Texte: Georg Heym, Andreas Hähle
Komposition: Wolfgang Becker
Fotos: Michael Nacke, Christoph Keisers, Wanja
Design und Layout: Marcel Höhne

Wolfgang Becker hier bei uns im rockblogbluesspot:
CD-Review : “Heymkehr”
CD-Review:  “Stadt am Abend”

Filed under: Album Reviews, Singer/Songwriter, , , , , , , , , , , ,

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