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Acid Mothers Temple & The Melting Paraiso U.F.O. – Either the Fragmented Body or the Reconstituted Soul

(as) Der Ausstoß von „Acid Mothers Temple“ ist relativ hoch, vor allem weil die sagenhaften Japaner bekanntlich in verschiedenen Inkarnationen Musik aufnehmen, wobei sie ihre stilistische Schwerpunkte jeweils leicht verlagern. Das Anhängsel „The Melting Paraiso U.F.O.“ verwenden sie für „Either the Fragmented Body or the Reconstituted Soul“ nicht zum ersten Mal, denn in diesem Fall handelt es sich „nur“ um ein Live-Album, das 2017 in Perus Hauptstadt mitgeschnitten und nun erstmals auf auch Vinyl veröffentlicht wird.

Dessen Kapazität bedingt leider, dass der zehnminütige Einstieg in die Show fehlt, was darauf schließen lässt, dass Necio keine Doppel-LP fertigen lassen konnten oder wollten. Andererseits dient „Faggot Brain“ (nette „Funkadelic“-Anspielung) in seiner ätherischen Anmutung bloß als längere Einleitung, weshalb Plattenliebhaber schmerzfrei darauf verzichten dürfen – ganz im Gegensatz zur abschließenden Reprise des Schlüsselstücks der Darbietung. …

Aber der Reihe nach: In für asiatische Musiker geradezu typisch exaltierter Manier spielt sich das mindestens halb legendäre Psychedelic-Kollektiv daraufhin in einen regelrechten Rausch. „Magic Bohemian & Mystic Nuns Pt. 1“ artet nämlich mit monotonem Sprechchor, atonalen Gitarreneskapaden und hibbeligem Schlagzeugspiel zu einem vertonten Malstrom aus, wobei die Melodien – ob gesungen oder auf Sitar umgesetzt – mal wieder eindeutig nach Indien verweisen.

Nach dem grell elektronischen Geklimper „Crystallized Encephalon“ – gut zehn Minuten kürzer als die Viertelstunde des auf seine fiebrig blubbernde Art noch haarsträubenderen zweiten Teils – markiert das akustische „La Nòvia“ mit der fast operettenhaft intonierenden Sängerin Tsuyama Atsushi den Ruhepol der Performance, praktisch das Auge des Sturms zur Halbzeit. Hier wird die Konzertstimmung zumindest ansatzweise spürbar, obgleich man das Publikum zu keiner Zeit hört.

Wenn die Nippon-Truppe dann endlich „Magic Bohemian & Mystic Nuns“ zu Ende führt, erfährt das kosmische Treiben eine wohl unüberbietbare Steigerung, die nur CD-Käufer und Digitalhörer nacherleben dürfen. Mastermind Kawabata Makoto zieht hier im Lauf von elf Minuten alle Register, indem er halsbrecherische Griffbrettkapriolen schlägt, während die beiden Synthesizer ungeheuren Lärm erzeugen, ohne dass die Musikalität völlig flöten ginge.

„AMT“ bestätigen schließlich also erneut, eine Marke für sich zu sein, für die man aber einen besonderen Geschmack haben sollte; Konsens-Space-Rock war und ist ihr Schaffen nicht, doch lässt man sich darauf ein, macht es süchtig – vor allem laut gehört – und sprengt über das rein Klangliche hinaus auch geistige Grenzen … „mind-expanding“ im besten Sinn also!

Übrigens lagern nur 250 Einheiten des Vinyls in Europa. Der frühe Vogel … ihr wisst schon.

Necio Records, 15.09.2019

http://www.neciorecords.bandcamp.com/album/acid-mothers-temple-the-melting-paraiso-u-f-o-either-the-fragmented-body-or-the-reconstituted-soul-nr-020-reissue-lp-2019

58:34

Faggot Brain (CD-Bonus) 10:35

Magic Bohemian & Mystic Nuns Pt. 1 10:47

Crystallized Encephalon 05:38

La Nóvia (acoustic version) 05:35

Crystallized Encephalon Pt. 2 14:52

Magic Bohemian & Mystic Nuns Pt. 2 (CD-Bonus) 11:05

Jyonson Tsu, Tsuyama Atsushi (v)

Kawabata Makoto (g, b, keys Sitar, Tambura)

Higashi Hiroshi (keys)

Mitsuko Tabata (g, keys, v)

Satoshima Nani (d)

 

Andreas Schiffmann

Filed under: Album Reviews, Elektronik/Motorik, Experimental, Psychedelic,

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