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Interview mit Wolfgang Becker

beckerkeiser (ro) Wenn Wolfgang Becker und Christoph Keisers Hand anlegen, sollte man als Freund oder Freundin des zeitgenössischen Folk-Blues auf jeden Fall ganz genau hinhören.
Denn die beiden Herren vom Niederrhein wissen nach ihrer nunmehr 18-jährigen Bandgeschichte mit “Schwarzbrenner” ganz genau, welche Farbe sie anrühren müssen, damit ihr Sound diese intensive Herzenswärme und Großstadt-Lässigkeit bekommt.
Nachdem ich im Laufe der Jahre schon viele Konzerte von Wolfgang Becker – mit Band, als Duo und Solo – miterleben durfte, freue ich mich sehr, ihn nun endlich im Interview bei uns begrüßen zu dürfen.

Sprechen wir zuerst einmal über Euer neues Album „Herbes Glück“, Euer erstes reines Akustik-Album. Was für Überraschungen erwarten uns darauf?

Das Album ist eigentlich die Sammlung der Songs, die ich für das musikalisch-literarische Programm „Herbes Glück – Sehnsucht, Sucht und Liebe in den Städten“ geschrieben und zusammengestellt habe, welches ich mit dem Berliner Textdichter und Autor Andreas Hähle entwickelt habe.
Darauf zu hören sind Songs, Balladen & Blues mit Gesang, Gitarre und Perkussion zu Texten von Andreas Hähle , aber auch drei Songs mit Texten des expressionistischen Dichters Georg Heym ( 1887-1912) – und alle drehen sich mehr oder weniger um das Gefühl des „Herben Glücks“ in all seiner Vielfalt.
Die Überraschung dabei – auch für uns- war, wie gut sich die modernen Texte von Andreas Hähle mit den Versen von Heym, die ja vom Beginn des letzten Jahrhunderts sind, vertragen. Und dass trotz des Zeitsprungs von 100 Jahren eine geschlossene Songkollektion entstanden ist

Das klingt ja doch recht ungewöhnlich, erzähl doch mal ein bisschen über das Projekt. Wie bist du auf die Idee gekommen, ein Akustik-Album aufzunehmen?

Begonnen hat es damit, dass ich mit unserem Schwarzbrenner Drummer Chris Keisers seit einigen Jahren angefangen habe , die Songs unserer Band mal in einer Art Folk-Blues-Duo auf Gitarre, Gesang und Cajon/ Percussions reduziert zu spielen, einfach mal außerhalb des Bandformats frei zu improvisieren und dies auch auf kleinen Bühnen z.B. hier im Rheinland oder in Berlin aufzuführen.

Und wie es dann zur Zusammenarbeit mit Andreas Hähle, der ja in einer ganz anderen Ecke Deutschland zuhause ist, gekommen?

Bei einem unserer Duo-Konzerte in Berlin lernten wir Andreas Hähle kennen, der dort u.a. als Autor, Textdichter, Rezensent und Webradio-Moderator tätig ist. Das für uns Entscheidende war, dass er unsere Leidenschaft für die beckercdexpressionistische Dichtung teilte und irgendwie entstand dann zwischen ihm und mir die Idee, mal gemeinsam ein Bühnenprogramm zu entwickeln, welches Prosatexte von ihm und akustische Schwarzbrenner Songs von mir enthalten sollte , eben das oben erwähnte „Herbe Glück“.
Natürlich bekam ich mit, dass Andreas eigentlich im Hauptberuf Songtexter war, also habe ich ihn auch im Verlauf der Zusammenarbeit mal ganz direkt gefragt, ob er nicht auch einmal ein paar Texte für mich hätte.
Sie kamen per Mail und wunderbarerweise passten sie von der ersten Sekunde zu meiner musikalischen Welt und zu unserem Duoformat.
Schlussendlich entstanden die Songs dann so schnell, dass sie jetzt schon auf CD erscheinen konnten – ohne dass das das dazugehörige ursprüngliche Programm überhaupt schon aufgeführt war.

Hast Du Inspirationsquellen oder Vorlieben, wen oder was zum Beispiel?

Die große textliche Inspirationsquelle für meine Lieder ist für mich vor allem die herb-schöne Kulisse der Großstadt, beckerdie mich schon seit Jahrzehnten fasziniert, das Nebeneinander von Großartigem und Hässlichem, von Geschwindigkeit und Ruhe, von Sich- Aufgehoben-Fühlen und Einsamkeit, und der dabei erlebte Kontrast zur Natur.
Daneben die Frage, wie jeder einzelne damit klarkommt, wie Liebe sich in dieser Welt entfalten und gestalten kann und das alles in Sprache, die einerseits modern emotional wie die von Andreas Hähle oder aber zeitlos, schroff und zart zugleich wie die von Georg Heym sein sollte.

Und in welcher musikalischen Tradition siehst du Euch, die Duo-Besetzung Gitarre und Perkussion ist ja nicht so alltäglich?

So eine direkte Vorbilder-Tradition gibt es da nicht, da fließen eher zwei größere Einflüsse zusammen, die sich dann auch in der Besetzung wiederspiegelt.
Zum einen ist da natürlich die ungebrochene Faszination, die davon ausgeht, wenn jemand nur mit sich und seiner Gitarre auf der Bühne steht, singt und mit seinen Songs ohne große technische Hilfsmittel seine Zuhörer in seinen Bann ziehen – eben so, wie es die großen Country- und Folksänger, aber auch die Liedermacher machen, das ist sozusagen mein Part.
Daneben kommt als zweiter Einfluss das Rhythmus-Feeling der Bluesmusik in all seinen Facetten dazu, und dafür ist bei uns natürlich Christoph Keisers als Perkussionist zuständig.
Das Besondere bei Chris ist aber, dass er seine Perkussion bei unserer Musik eher als Unterstützung der Songdramaturgie einsetzt, also durchaus auch als zusätzliche melodische Klangfarbe oder als atmosphärisches Element und nicht so sehr als reines Basis-Instrument, was die Songs damit insgesamt sehr schön „leicht“ macht.
Diese Konzentration auf Gesang, Gitarre und Perkussion macht dann für uns auch den Reiz aus:
Sie gibt uns einerseits genug Song-Gerüst und Halt beim Spielen, aber lässt uns dabei auch gleichzeitig reichlich Freiraum zum Improvisieren.

Die Songs des Albums sind ja eher nachdenkenswert als Mainstream gehalten, wen möchtest du mit diesem Album ansprechen?

Ja, da hast Du recht, das ist sicherlich kein „Mainstream“. Also, wir möchten alle ansprechen, die etwas mit akustischen Songs, Balladen oder Blues anfangen können und dabei Texte mögen, die intensiv und nicht alltäglich sind und zum Zuhören einladen.
Der akustische Rahmen sorgt dabei dafür, dass trotzdem die Songs nicht zu schwer daherkommen.

Kommt diese Art Musik im Jahre 2014 überhaupt noch an? Bei wem ?

Ich glaube schon, es gibt auch heute noch genügend Leute, die Interesse an Musik außerhalb des Mainstream haben und diese Musik auch aktiv suchen.
Natürlich muss man sie auch erreichen, aber dafür gibt es jetzt ja insbesondere die neuen Medien wie Foren oder Webradios. Für uns kann ich dabei sagen, dass unsere Art von Musik eine kleine, aber begeisterungsfähige Community – wie man heute so schön sagt – hat und unsere Fans dabei von Bluesliebhabern, die über den Tellerrand schauen möchten über Freunde von deutschsprachiger Musik bis zu Folk- und Country-Fans reichen, die eine Ader für lyrische Texte haben.

Lieber Wolfgang, ich weiß natürlich, dass „ Herbes Glück“ nicht deine erste CD ist. Du bist ja sozusagen ein „ gestandener Musiker“ und hast bereits mit „Schwarzbrenner“ eine Reihe CDs aufgenommen.

Ja, uns gibt es als Schwarzbrenner schon recht lange, seit 1995, gegründet von mir und Chris.
beckersolo Mit Schwarzbrenner hatten wir uns damals vorgenommen, die Texte des expressionistischen Dichters Georg Heym (1887-1912) mit Blues, Songs und Balladen zu einer eigenständigen Musik- und Erlebniswelt zu verbinden.
Seitdem sind bisher 7 CDs erschienen, darunter eine Compilation und eine Hommage-Doppel-CD ((„Heymkehr“) zum 100.Todestags von Georg Heym.
Erfreulicherweise hat sich Schwarzbrenner im Laufe der Jahre eine sehr treue Fangemeinde erspielt – was nicht zuletzt durch die Tatsache unterstrichen wird, dass „Heymkehr“ 2012 für den GERMAN BLUES AWARD in der Kategorie „Bester Tonträger“ und Schwarzbrenner beim GERMAN BLUES AWARD 2013 in der Kategorie „Beste aktuelle Bluesband“ nominiert wurden.
Von daher gibt es natürlich auch eine lange und schöne Historie der Zusammenarbeit zwischen Chris und mir.

Und wie würdest Du nun den Unterschied zwischen“ Schwarzbrenner“ und“ Wolfgang Becker & Christoph Keisers“ beschreiben?

„Schwarzbrenner“ ist ein klassisches Blues & Rock Trio mit Chris an den Drums, mir an Gitarre/Gesang und Rolf Menzen am Bass, geht jetzt in sein 19. Jahr des Bestehens und wird sich auch in Zukunft auf die Vertonung der Texte Georg Heyms konzentrieren.
„Wolfgang Becker & Christoph Keisers“ ist ein rein akustisches Duo, musikalisch offen für Country-,Blues-, Folk- und SingerSongwriter-Einflüsse. Die Texte sind heutiger, da sie zum überwiegenden Teil von Andreas Hähle stammen und Georg Heym hier nur den kleineren Text-Anteil ausmacht.

Spielt Ihr als Akustik-Duo lieber live auf der Bühne oder im Studio? Wie wichtig sind Live-Gigs für dich?

Beides ist gleich wichtig für uns.
Das Duo ist ja aus Live-Auftritten entstanden, bei denen wir unseren Stil entwickelt haben und die Freude an Improvisationen und dem dynamischem Zusammenspiel in dieser Konstellation erlebt haben.

An der Studioarbeit mit unserem Produzenten Wanja vom Niederrhein wiederum begeistert uns die Möglichkeit, den einzelnen Songs z.B. über ganz unterschiedliche akustische Gitarren jeweils einen anderen Charakter geben oder auch die Vielfalt, mit der Christoph dort seine Percussions einsetzen kann.

Was sind Pläne von „Wolfgang Becker & Christoph Keisers“ für 2014? Werden wir etwas von euch hören oder sehen? Wann und wo?

Zunächst erstmal sind wir aktuell schon wieder bei Wanja im Studio, um im Laufe des Frühjahrs die Songs einzuspielen, die wir in der Zwischenzeit noch für unser „Herbes Glück“ Konzert-Repertoire entwickelt haben.
Grade bei unserer Art von Musik ist es die Erfahrung von Chris und mir, dass die Zuhörer gerne die live präsentierten Songs auf CDs mit nachhause nehmen möchten, um sich dann den Liedern (und Texten) noch einmal in Ruhe zu widmen.Von daher sind wir seit jeher immer bestrebt gewesen, alle Songs auch auf CD verfügbar zu haben, und deswegen sind wir auch schon wieder im Studio – aber ehrlicherweise macht es auch richtig viel Spaß, neue Songs einzuspielen!

Im Mai wird es in Berlin die Premiere des musikalisch-literarischen Programms mit Andreas Hähle und mir geben, mit dem die ganze CD ihren Anfang nahm, nämlich „ Herbes Glück- Sehnsucht, Sucht und Liebe in den Städten“ und zwar gleich zweimal, am 3.Mai im „Kunstquell“ und am 4.Mai im „art.gerecht“, beides typische Berliner Musik/Literatur Locations , zu denen unser Programm sehr schön passen sollte.
Für den Herbst sind dann sowohl weitere Aufführungen des Programms mit Andreas Hähle als auch reine Musik-Konzerte von Chris und mir in der Überlegung.

Und jetzt sag uns doch noch, wo man noch weitere Informationen über Euch bekommen und ggfs die CD bestellen kann ?

Auf unserer Homepage http://www.beckerkeisers.de gibt es alles zu uns und unserer Musik, dort kann man auch alle Titel der CD anspielen und ggfs. auch die CD bestellen.
Ansonsten gibt es „Herbes Glück“ zum Reinhören und downloaden auch bei allen führenden Downloadshops.

Vielen Dank lieber Wolfgang, für das tolle und ausführliche Interview. Ich bin sehr glücklich darüber, dass es Musiker wie euch gibt,  die ganz spezielle musikalische Nischen suchen und finden und die das dann auch, was ja noch viel besser ist,  für uns alle auf Tonträger und besonders auch auf die Bühne bringen!

( Die Fragen stellte Rosie….)

Wolfgang Becker bei rockblogbluesspot:

CD-Review: „Herbes Glück“
CD Review: „Heymkehr“
CD-Review: „Stadt am Abend“

Wolgang Becker Video:

Für die Fotos bedanke ich mich bei Wolfgang!

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